1803: Der Kessel einer Trevithick-Maschine explodiert

Am 8. September 1803 explodierte der Kessel einer Trevithick-Maschine. Zwar war grobe Fehlbedienung die Ursache (der Maschinist hatte das Sicherheitsventil festgebunden und war dann zum Essen gegangen), dennoch wurde der Vorfall von den Herstellern der Niederdruck-Maschinen (also auch von Boulton & Watt) hochgespielt. Sie hatten ja schon immer vor den Gefahren des »strong steam« gewarnt 1.

Dieser Vorfall wirft ein Schlaglicht auf eine Auseinandersetzung zwischen den konservativen Herstellern (sicherlich allen voran Boulton & Watt) und den Pionieren, insbesondere Richard Trevithick in England und Oliver Evans in den USA.

Auch James Watt war schon klar, daß ein höherer Dampfdruck wünschenswert war, aber er scheute davor zurück. Ein Grund war sicherlich, dass es damals kaum möglich war, wirklich fehlerfreie und homogene Kesselbleche zu erzeugen. Als Dichtungsmittel wurde lange Zeit der sog. Eisenkitt genutzt. Christoph Bernoulli beschrieb dies noch 1824 in seinem Buch »Anfangsgründe der Dampfmaschinenlehre für Techniker und Freunde der Technik« 2.

Lt. Sonnenberg hat es bei den von Boulton & Watt gebauten Niederdruck-Maschinen keine Kesselexplosionen gegeben 3.

Aber was war denn der Druck in einer Niederdruck-Maschine, wie stark war »strong steam«?

Hier hilft (hoffentlich) ein kleiner Exkurs in die Physik, Thema Druck.

Anders als die Maßeinheiten für Länge (Meter m) oder Masse (umgangssprachlich Gewicht) (Kilogramm kg) ist die Einheit für den Druck (Pascal pa) vielen nicht vertraut. Wenn es um Dampfdruck geht, kommt oft ein weiteres Problem hinzu, indem da von Überdruck die Rede ist. Wer dies verstehen will, muß sich deutlich machen, dass wir alle zu jedem Zeitpunkt der Gewichtskraft der Luftsäule der Erdatmosphäre über uns ausgesetzt sind, dem Luftdruck also. Menschen haben kein Sinnesorgan, um dies wahrzunehmen. Nur starke und schnelle Schwankungen des Luftdrucks werden mittelbar wahrgenommen (z.B. im Ohr beim Flugzeugstart).

Der mittlere Luftdruck der Erdatmosphäre beträgt auf Meereshöhe 1013,25 hPa (hPa steht für Hektopascal, 1 hPa = 100 Pa). Taucht man auf Meereshöhe 10 m tief, so hätte man in seiner Lunge recht genau den doppelten Druck.

Die SI-Einheit Pa (SI steht für das Internationale Einheitensystem - Système international d’unités) liefert oftmals hohe Zahlenwerte, daher ist in der EU das bar als gesetzliche, aus dem SI-System abgeleitete Einheit zulässig. 1 bar sind 100000 Pa. Damit wird der o.a. mittlere Luftdruck der Erdatmosphäre ziemlich genau 1 bar und beim Tauchgang auf 10 m Tiefe hat man 2 bar in den Lungen. Der Überdruck beträgt dann 1 bar.

Zurück zum Dampf. Vielen ist aus der Küche der Schnellkochtopf bekannt (andere Bezeichnungen Drucktopf, Dampfdrucktopf, Dampfkochtopf oder Papin’scher Topf nach seinem Erfinder Denis Papin 1679 4). In einem solchen Topf können Lebensmittel schneller gekocht werden, weil das Wasser auf mehr als 100°C erhitzt wird. Laut einer aktuellen Schnellkochtopf-Gebrauchsanleitung 5 erreicht man beim 1. Ring in der Schonstufe 109 °C, beim 2. Ring in der Schnellstufe 116 °C. Dabei entsteht im Topf ein Überdruck von 0,4 bzw. 0,8 bar. Wird zuviel Wärme zugeführt, dampft das Kochventil automatisch ab (bei 1,5 bar Überdruck). Zusätzlich hat der Schnellkochtopf noch ein Sicherheitsventil.

Der obligate Eintopf wird also im Schnellkochtopf bei 0,8 bar Überdruck mit dann etwa 116 °C gegart.

Diese Werte mögen nun als anschauliche Basis dienen.

Die bei den frühen Dampfmaschinen verwendeten Drücke sind nicht sicher anzugeben. Das Deutsche Museum zählt einen Watt’schen Kofferkessel von ca. 1810 zu seinen Exponaten. Als Dampfdruck gibt das Museum 1,3 bar an. Damit ist sicherlich der absolute Druck gemeint. Die Anweisungen der Firma Boulton & Watt fordern allerdings deutlich niedrigere Drücke, nämlich max. 0,1 bar Überdruck, siehe [1799: Faßkessel und Kofferkessel].

In der Literatur findet sich eine Statistik aus dem Jahre 1847, in der die Dampfmaschinen im Königreich Sachsen erfasst wurden 6. Dort werden als Niederdruckmaschinen diejenigen mit einer »Dampfspannung bis 1,25 Atmosphären« gerechnet, als Mitteldruck die mit »Dampfspannung ab 1,25 bis 3 Atmosphären« und schließlich als Hochdruckmaschinen die mit mehr als 3 Atmosphären. Erneut ist hier sicherlich der absolute Druck gemeint, eine Atmosphäre (die Einheit ist nicht mehr zulässig) hat für unsere Zwecke genau ein bar.

Natürlich ist diese Abgrenzung nicht exakt. Klar ist aber auch, daß bis in das

  1. Jahrhundert hinein, auch für Trevithick und Evans, der Dampf, mit dem heute unser Eintopf gekocht wird, »strong« war.

Trevithick und Evans, als Pioniere des »strong steam«, liessen die Niederdruckmaschine hinter sich, indem sie auf den Watt’schen Kondensator verzichteten. Die Niederdruckmaschine erzeugt ja im Kondensator ein Teilvakuum von maximal 1 bar im Idealfall. Der Verzicht auf den Kondensator bedeutete also im schlechtesten Fall 1 bar Verlust, machte aber durch den Wegfall des Kondensators, der nassen Luftpumpe etc. kleinere Maschinen möglich. Trevithick’s Zeitgenossen nannten seine Maschinen »Puffer«. Damit wurde schon lautmalerisch deutlich, dass der Dampf in die Atmosphäre entlassen wurde.

Trevithick Kessel um 1845{#fig:1803-1}

Richard Trevithick hat übrigens auf die Explosion seines Kessels sehr modern reagiert: Er versuchte den Kessel »idiotensicher« zu machen 7. Fortan sah er ein zweites Sicherheitsventil vor. Auch führte er einen Bleipfropfen ein, der normalerweise vom Kesselwasser berührt wurde. Wenn der Wasserstand zu sehr absank, wurde der Pfropfen freigelegt, das Blei schmolz und der Kesseldruck wurde abgebaut.

Das Bild @fig:1803-1 zeigt einen Kessel der Bauart Trevithicks im Science Museum. Die Heizgase werden durch den Kessel geführt zurück zur Feuerungsseite. Kesselmaterial ist Gusseisen, für das Rohr innen wurden geschmiedete Bleche vorarbeitet. Das Museum gibt an, dass er ursprünglich zu einer fahrbaren Maschine gehört hat; Baujahr um 1845. Diese Jahreszahl ist bemerkenswert, zeigt sie doch zum einen, dass mehr als vier Jahrzehnte nach den ersten ausgeführten Puffern [vergl. 1797: Richard Trevithick baut ein Modell einer ganz neuen Dampfmaschine] das Modell noch gebaut wurde und zum anderen, dass für den Kessel immer noch Gusseisen als Material gewählt wurde.

Es dauerte noch etliche Jahrzehnte, bis der Kessel als sicherheitskritisches Bauteil einigermaßen beherrscht wurde.

1803: Fürst Esterházy kauft einen Trevithick-Puffer

Angesichts der sehr unbefriedigenden Quellenlage zu den Trevithick-Maschinen ist es ein Glücksfall, dass wenigstens eine der Maschinen recht gut dokumentiert ist.

Im Jahre 1803 kaufte der österreichische Fürst Nikolaus II. Esterházy bei einem Besuch in London eine Dampfmaschine. Für den 7. Oktober 1803 ist der Eingang von 10 Kisten beim östereichischen Zoll belegt, eine 11. fehlte noch. In diesen Kisten befand sich die erworbene Maschine. Es war ein weiter Weg gewesen: per Schiff nach Hamburg oder Bremen, aber dann mittels Ochsen- oder Pferdefuhrwerk bis zur Zollgrenze Braunau. Esterházy hatte in London auch einen Mechaniker engagiert. Das war Johann Dietrich Langenreiter (1774-1812), aus Oldenburg stammend, der nun die Aufstellung der Maschine vornehmen sollte. Es wurde ein Maschinenhaus in Eisenstadt errichtet. Vermutlich ging die Maschine 1804 in Betrieb 8 9 10.

Die Dampf-Maschine wurde in London von David Matson verfertiget, von dem Majoratsfürsten Nicolaus Eßterhazy zu London persönlich gekauft, und im Jahre 1803 nach Eisenstadt gebracht; sie war die erste, die im österreichischen Kaiserstaate gesehen ward. Diese Maschine hat der Mechanikus Johann Dietrich Langreuter *) im Jahre 1794 im Hof garten neben dem großen Teiche aufgesetzt, mit einem Condensator, der zugleich zu einem Bade das warme Wasser liefert, verstärkt, und mit einem Dampfmesser versehen, den Dampfkessel aber vor dem so furchtbaren Zerspringen auf eine eigens erfundene Art ganz gesichert, und so diese Maschine in vollkommenen Stand und Gang gebracht. Der Dampfkessel von dieser Maschine hat 3 1/2 Schuh im Durchmesser, und kann mit 10 Zentner Steinkohlen oder mit anderthalb Klafter Holz durch 24 Stunden in der gehörigen Wirkung erhalten werden. Die Dämpfe können auf jeden Grad gespannt werden, daß sie mit einer Kraft von 40 bis 45 Pfunden auf jeden Quadrat-Zoll wirken, und in einem Cylinder von sechs Zoll im Durchmesser, auf dem Stämpel eines Kolbens wechselsweise bald von hinten, bald von vorne drücken. Dadurch werden nach Erforderniß zwei auch drei Pumpen, wovon zwei einfach und eine doppelt wirkend sind, in Bewegung gesetzt, und in der Minute drei und ein halber Eimer Wasser (280 ungarische Halbe) durch eiserne Röhren auf einen Berg von 30 Klafter senkrechter Höhe, in einen großen Teich gebracht, woraus bei trockener Witterung die Treibereien und alle umliegenden Theile des Gartens bewässert werden.

Janetschek schreibt diese Konstruktion völlig zu Recht Richard Trevithick zu.

Der Mechanikus Langenreiter stellte aber nicht nur die Maschine auf, sondern er baute auch ein Modell, welches erhalten ist (heute im Technischen Museum Wien, leider im Depot), siehe Bild @fig:1803-2.

Langenreiter: Modell einer Trevithick Hochdruckmaschine TMW{#fig:1803-2}

Im Technischen Museum Wien wurden die Daten der Maschine wie folgt angegeben:

Die Hochdruck-Trevithickmaschine betrieb drei Pumpen, die 237,5 l Wasser pro Minute auf eine Höhe von 56,3 m fördern konnten./ Zylinder in den Kesseln eingebaut, Kreuzkopfübertragung, Sicherheitsventil. Dampfdruck p = 8 atm = 800 kpa.

Wie das Bild zeigt, unterscheidet sich diese Maschine von dem typischen »Whim-Puffer«. Der Kessel steht nun vertikal, der Zylinder horizontal, es gibt in meinen Augen völlig neue Geradführung durch einen Kreuzkopf im modernen Sinn. Dieser Aspekt ist nach meiner Ansicht in der Literatur nicht hinreichend gewürdigt worden. Vielleicht waren die Gleitbahnen noch nicht genau genug zu fertigen, vielleicht war der Verschleiß zu groß. Das Schwungrad ist deutlicher größer und schwerer, es wird dementsprechend gelagert.

Es gibt noch ein weiteres Zeugnis dieser Trevithick-Konstruktion, welches allerdings für mehr als 100 Jahre in einem Archiv verschollen war. John Farey Jr. (1791–1851) hatte sein Werk «A Treatise on the Steam Engine« 1827 ausdrücklich als ersten Band gekennzeichnet. Kurz vor der Drucklegung des zweiten Bandes starb der Autor 1851 und eine Veröffentlichung des zweiten Bandes unterblieb. Manuskript und Korrekturabzüge verschwanden im Archiv und wurden erst 1971 wieder entdeckt und dann veröffentlicht. 11. Dort findet sich die Zeichung @fig:1803-3 der sog. »Lambeth Engine«, wohl die Betriebsmaschine einer Färberei in London.

Farey: Zeichnung der Lambeth Engine{#fig:1803-3 width=12cm}

Laut Farey bestand auch der stehende Kessel aus Gusseisen, die Oberseite war stark gewölbt, die Unterseite konkav eingezogen 12. Die Maschine war doppeltwirkend und wurde über einen Drehschieber mit Dampf versorgt (Nenndruck 45 psi, also 3,1 bar). Farey zeichnete einen Querschnitt dieses Schiebers und gab eine detaillierte Beschreibung aller Maschinenelemente sowie eine Reihe von Maßen. In seiner sehr ausführlichen Schilderung der verschiedensten Details geht Farey auch auf die Probleme ein, die unsauberes Kesselspeisewasser mit sich bringt. Die Kolbendichtung aus einer Hanfpackung mußte nach vier, spätestens sechs Wochen Betrieb gewechselt werden.

Stand: 19.11.2018


  1. Dickinson, 1939, S.97 

  2. Bernoulli, 1824, S. 136, zitiert bei Sonnenberg, 1968, S.53 

  3. Sonnenberg, 1968, S.61 

  4. Day + McNeil, 1996, S. 538 

  5. Fissler Schnellkochtopf-Gebrauchsanleitung Stand 4.4.2006 Abgerufen 18.7.2016 

  6. Hülsse, 1846 

  7. Dickinson, 1939, S.97 

  8. Janetschek, o.J. 

  9. Ich verdanke den Hinweis auf Janetschek sowie weitere Infos zur Langenreiter-Maschine Dietmar Linzbacher vom Technischen Museum Wien, Email 29.3.2016 

  10. Die Jahreszahl ist ein Fehler in der Quelle. 

  11. Farey, 1851 / 1971 

  12. Farey, a.a.O. S.14